Liebe Mitglieder, Freundinnen und Freunde der Europa-Union!
Wer hätte das gedacht? Dänemark hat sich der Europäischen Verteidigungspolitik angeschlossen. Schweden und Finnland sind der NATO beigetreten. Auf der letzten Sitzung des Europäischen Rates Ende Juni haben die Staats- und Regierungschefs beschlossen, der Ukraine und der Republik Moldau den Beitrittskandidatenstatus zu verleihen. Damit ändert sich über Nacht zwar nicht die Kampf-Situation im Osten und Süden des Landes, aber die psychologische Trageweite der Entscheidung ist enorm.— Und wer das Video gesehen hat, mit welchem Enthusiasmus die europäische Flagge im ukrainischen Parlament gehisst wurde, wird sofort daran erinnert, dass die Union für viele Menschen außerhalb ihrer derzeitigen Grenzen so viel mehr ist als ein funktionierender Binnenmarkt mit politischem Anstrich. Die Union verkörpert die Hoffnung auf Frieden, Freiheit, Wohlstand und Gleichberechtigung. Den Menschen das Gefühl zu vermitteln, dazu zu gehören und ernst genommen zu werden in einer Zeit, in der Russland mit Gewalt die Staatlichkeit des Landes zerstören will, kann sich als unschätzbarer Motivationsstrang im Krieg erweisen.
Allerdings darf die Union nicht wieder den Fehler machen, nach wohlfeilen Ankündigungen den Prozess zu verschleppen oder gar zu blockieren. Das französische Veto gegen die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen von Albanien und Nord-Mazedonien vor drei Jahren hat sich als strategischer Fehler erwiesen. Zwischenzeitlich hat Bulgarien aus innenpolitischen Gründen Nord-Mazedonien zurückgehalten, obwohl die bulgarischen Anliegen zur Verbesserung der Rechtslage der (kleinen) bulgarischen Minderheit ohne weiteres als Teil des Beitrittsprozesses vorgetragen werden könnten. Wertvolle Zeit geht damit verloren. Auch der serbische Beitritt kommt nur langsam voran. Die offene „Äquidistanz“-Politik der Belgrader Führung, die den Kriegsherren Lawrow noch zu einem offiziellen Besuch einlädt, zeigt deutlich, dass Brüssel erheblich an Einfluss verloren hat. Die Probleme in Bosnien Herzegowina und zwischen Serbien und dem Kosovo sind ebenfalls bei Weitem nicht gelöst. Insofern muss die gesamte EU-Erweiterungspolitik neu durchdacht und mit frischem Elan versehen werden. Ob hierzu der französische Anstoß, eine „geopolitische Gemeinschaft“ zu schaffen, zielführend ist, bleibt abzuwarten. Zwar ist es richtig, dass der Beitritt vieler Kandidaten noch weitere Zeit bedarf. Allerdings könnte „das Kümmern“ um diejenigen Länder, die keine EU-Beitrittsperspektive (mehr) haben, jetzt nicht das politisch richtige Signal sein.
Im Verband haben wir in einer schönen Veranstaltung beim Hanse-Office die Ausrichtung der EU-Außenpolitik knapp 20 Jahre nach der großen Osterweiterung in einem hochkarätigen Panel mit MdEP Petras Auštrevičius (Litauen), PSK-Botschafter Thomas Ossowski und der juristischen Expertin aus dem Rat, Petra Mahnic, beleuchtet. Sehr aktiv waren wir auch im Bereich der Nachwuchsarbeit: Julia Preiss, Teresa Geyer, Benjamin Feyen und Klemens Kober haben ein neues Format für EU-Praktikanten aufgestellt, und ein schöner Abend-Empfang der JEF Deutschland in der Landesvertretung Baden-Württemberg hat weitere Vernetzungsmöglichkeiten für junge Europäer geboten. Der neue Vorstand hat sich auch inhaltlich neu aufgestellt und plant nach der Sommerpause, mit einer Einladung an Staatssekretärin Lührmann vom Auswärtigen Amt die europolitische Bilanz der Ampel-Koalition nach einem Jahr unter die Lupe zu nehmen.
Die 10 Fragen gehen an unser Neumitglied Patrick Wegener. Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre vor, im oder anstatt des sicher verdienten Sommerlaubs. Ich würde mich freuen, wenn Sie danach gut ausgeruht und mit bestem Elan wieder zahlreich an unseren Aktivitäten mitwirken!
Brüssel, 04. Juli 2022
Ihr Prof. Dr. Frank Hoffmeister
Vorsitzender der EUD-Brüssel